Jede dritte im Jahr 2009 zu Lasten der GKV abgegebene Packung umfasste besonders beratungsbedürftige Darreichungsformen.
Arzneimittel und Medizinprodukte sind oft sehr komplex und müssen bei der Abgabe in der Apotheke dem Patienten erklärt werden.
Die apothekerliche Beratungspflicht ist deshalb nicht nur gesetzlich festgeschrieben, sondern wird auch durch Leitlinien der Bundesapothekerkammer auf einen einheitlich qualitativ hohen und aktuellen Stand gebracht [1].
Zu einer guten Beratung gehört, dass sich das pharmazeutische Personal nach der individuellen Situation des Patienten erkundigt und daran angepasste Hinweise zu Art, Häufigkeit und Dauer der Arzneimittelanwendung, zur Lagerung, zu potentiellen Risiken wie relevanten Neben- und Wechselwirkungen sowie gegebenenfalls zu Kontraindikationen gibt. Zusätzliche Empfehlungen zur (nichtmedikamentösen) Unterstützung der Behandlung runden die Informationen für den Patienten ab.
Damit trägt die pharmazeutische Beratung zu einer zuverlässigen Therapietreue und zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei.
Während die Beratung zu Wirkungen und unerwünschten Wirkungen in der Regel wirkstoffspezifisch ist, werden zusätzlich auch Hinweise zur korrekten Anwendung des Arzneimittels gegeben, die von der speziellen Darreichungsform abhängig sind. Beispielsweise ist die Einnahme einer Kopfschmerztablette in aller Regel einfacher durchzuführen als die Injektion von Insulin.
Der Frage, wie viele Arzneimittel und Medizinprodukte, die besonders beratungsbedürftige Darreichungsformen umfassen, in Apotheken abgegeben werden, ist das DAPI für die Patienten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) anhand seiner Abrechnungsdaten aus dem Jahr 2009 nachgegangen.
Mehr als 33 Millionen GKV-Patienten erhielten vergangenes Jahr insgesamt etwa 212 Millionen Produkte mit besonders beratungsbedürftigen Darreichungsformen. Dies entspricht mehr als der Hälfte (55,6 %) der insgesamt etwa 59 Millionen GKV-Patienten, die in dieser Zeit in öffentlichen Apotheken versorgt wurden. Fast jede dritte abgegebene Packung (31,6 %) umfasste besonders beratungsbedürftige Darreichungsformen.
Die mengenmäßig größte Gruppe an Produkten mit besonders beratungsbedürftigen Darreichungsformen waren im Jahr 2009 magensaftresistente Tabletten und retardierte Darreichungsformen. Hier sollte die Apotheke die Patienten gegebenenfalls auf das Teilungsverbot hinweisen, um Medikationsfehler zu vermeiden. Betroffen waren hiervon über 18 Millionen GKV-Versicherte.
Gut 7,5 Millionen GKV-Patienten erhielten Präparate, die injiziert werden müssen. Für diese Patienten sind nicht nur Handhabungshinweise, sondern gegebenenfalls auch Informationen zur besonderen Lagerung ihrer Präparate und zur Hygiene wichtig. Knapp ein Drittel dieser Patienten waren insulinpflichtige Diabetiker. Viele von ihnen (über 2,5 Mio. GKV-Patienten) verwenden zudem Teststreifen zur Blutzuckerselbstkontrolle. Hier zeigte die EDGAr-Studie der ABDA, dass schon eine einmalige strukturierte Beratung des Patienten in der Apotheke die Fehleranzahl bei der Glucose-Selbstmessung um fast 75 % reduzieren kann [2].
Pharmazeutische Beratung zu Präparaten, die am Auge angewendet werden, benötigten rund 6,7 Millionen GKV-Patienten.
Eine weitere große Patientengruppe (5,9 Mio. GKV-Patienten) setzte inhalative Produkte ein. Wie effektiv und nötig hier der Rat aus der Apotheke zur korrekten Benutzung von Inhalationsarzneimitteln ist, konnte in der VITA-Studie der ABDA nachgewiesen werden. Danach kann bereits eine einmalige strukturierte Beratung in der Apotheke den Anteil der Patienten mit einer fehlerhaften Anwendung um 65 % reduzieren [3]. Im Fall der Erkrankungen Asthma oder COPD ist die Beratung in der Apotheke zur richtigen Anwendung von Inhalationssystemen in Kooperation mit dem Arzt inzwischen ein fester Bestandteil des Versorgungsmanagements geworden - so beschreibt es auch die aktuelle Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Asthma, die als höchster Standard unter den Leitlinien gilt [4].
Die sonstigen, aufgrund ihrer Darreichungsform erklärungsbedürftigen Arzneimittel und Medizinprodukte umfassen zusammen noch einen Anteil von ca. 20 % aller abgegebenen Packungen dieses Segments.
[1] BAK: Information und Beratung Selbstmedikation. Information und Beratung Rezept. Verfügbar unter http://www.abda.de/leitlinien0.html (am 28.09.2010).
[2] Becker, C.: Beratung halbiert Fehlerquote. PZ 22/2006. Verfügbar unter http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=1381&type=0 (am 28.09.2010).
Müller, U., Hämmerlein, A., Casper, A. und Schulz, M.: EVALUATION DER DURCHFÜHRUNG VON GLUKOSESELBSTKONTROLLEN IN APOTHEKEN (EDGAr). Diabetes Stoffwechsel Herz 2006; 15 (4): 9–17.
Müller, U., Hämmerlein, A., Casper, A. und Schulz, M.: COMMUNITY PHARMACY-BASED INTERVENTION TO IMPROVE SELF-MONITORING OF BLOOD GLUCOSE IN TYPE 2 DIABETIC PATIENTS. Pharmacy Practice 2006; 4 (4): 195–203. http://www.pharmacypractice.org/vol04/pdf/195-203-en.pdf
[3] Hämmerlein, A., Müller, U., Schulz, M.: Versorgungsmanagement für Menschen mit Asthma – Einbindung der Apotheker. Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. 2010; 104 (2): 92–98.Online-Zugriff über dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2009.07.007.
Hämmerlein, A., Müller, U. und Schulz M.:
PHARMACIST-LED INTERVENTION STUDY TO IMPROVE INHALATION TECHNIQUE IN ASTHMA AND COPD PATIENTS. J. Eval. Clin. Pract. 2010 Aug 30. [Epub ahead of print]. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20807295
[4] Übersicht NVL Asthma – 2. Auflage. Verfügbar unter http://www.versorgungsleitlinien.de/themen/asthma (am 29.09.2010)