Im Jahr 2022 wurden 2,2 Millionen Verordnungen mit Sonderkennzeichen für die Opioid-Substitutionstherapie in öffentlichen Apotheken abgerechnet.
01.05.2023 - Berlin Kieble M
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Unter Opioid-Substitution im Sinne der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) ist die Anwendung eines ärztlich verschriebenen Betäubungsmittels bei opioidabhängigen Personen zur medizinischen Behandlung der Abhängigkeit zu verstehen. In Deutschland waren im Jahr 2022 etwa 81.200 Substitutionspatient*innen gemeldet [1]. Die substituierenden Ärzt*innen dürfen als Substitutionsmittel gemäß § 5 Abs. 6 BtMVV entweder ein zur Substitution zugelassenes Arzneimittel, eine Zubereitung von Levomethadon, von Methadon oder von Buprenorphin oder in begründeten Ausnahmefällen eine Zubereitung von Codein oder Dihydrocodein verordnen. Diamorphin (Heroin) gehört seit 2009 zwar ebenfalls zur Regelversorgung der Substitutionstherapie, darf aber nur in speziellen Einrichtungen und unter bestimmten Sicherheitsvorgaben verordnet werden.
Substitutionsmittel werden auf Betäubungsmittelrezepten verordnet, welche bestimmten Kennzeichnungspflichten unterliegen. Die Einnahme zum unmittelbaren Verbrauch (Sichtbezug) kann in der Arztpraxis oder in einer anderen geeigneten Einrichtung, z. B. in der Apotheke erfolgen. In letzterem Fall muss vorab eine schriftliche Vereinbarung mit dem Arzt getroffen worden sein. Stabilen Patient*innen dürfen per „Take-home“-Verordnung Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme mit nach Hause gegeben werden.
Die Anforderungen und Besonderheiten bei der Herstellung und Abgabe von Substitutionsmitteln in der Apotheke hat die Bundesapothekerkammer in einer Leitlinie dokumentiert [2]. Die Abrechnungsmodalitäten in der Apotheke sind vielfältig; abgerechnet wird je nach Verordnung ein Fertigarzneimittel, eine in den Apotheken hergestellte Zubereitung oder aus Fertigarzneimitteln entnommene Teilmengen von Substitutionsmitteln. Für die meisten dieser Fälle finden sich die Abrechnungspreise sowie die Sonderkennzeichen, über die die Abrechnung zu erfolgen hat, in den Anlagen 4 bis 7 des Vertrages über die Preisbildung von Stoffen und Zubereitungen aus Stoffen (Hilfstaxe) [3].
Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e.V. (DAPI) hat in seiner Datenbank die Verordnungen von Opioid-Substitutionsmitteln, die im Jahr 2022 in öffentlichen Apotheken zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet wurden, untersucht. Ausgewertet wurden die Sonderkennzeichen gemäß Hilfstaxe für die Abrechnung von Methadon-Lösungen (Sonderkennzeichen 06461506 und 09999086), von Levomethadon als Zubereitungen und als Fertigarzneimittelteilmengen (Sonderkennzeichen 06461512 und 02567107) sowie von Buprenorphin bzw. Buprenorphin in Kombination mit Naloxon als Einzeldosen für die Take-Home-Verordnung (Sonderkennzeichen 2567113 und 2567136). Außerdem wurden die Abrechnungen von Fertigarzneimitteln zur Substitutionstherapie (ATC-Code N07BC) ausgewertet. Nicht enthalten in der Auswertung waren die Abrechnungen von Substitutionsmitteln, deren Preisbildung nicht über die Hilfstaxe geregelt ist und somit über andere Sonderkennzeichen erfolgt, wie beispielsweise Zubereitungen mit Codein bzw. Dihydrocodein oder Fertigarzneimittelteilmengen von Methadon in Tablettenform [4]. Ausgeschlossen wurden außerdem Verordnungen für den Praxisbedarf.
Insgesamt wurden im Jahr 2022 2,18 Millionen Rezeptzeilen mit einem der Sonderkennzeichen für die Opioidsubstitution abgerechnet. Mit Abstand am häufigsten handelte es sich hierbei um Substitutionsmittel mit dem Wirkstoff Levomethadon (1,07 Mio. Rezeptzeilen), gefolgt von Methadon (0,56 Mio.), Buprenorphin (0,49 Mio.) und der Kombination aus Buprenorphin und Naloxon (0,06 Mio.). Bei den Fertigarzneimitteln zur Substitutionstherapie wurden insgesamt 202.900 Packungen abgerechnet, wobei der häufigste Wirkstoff Buprenorphin (z. B. Subutex®) mit 118.700 Packungen war. Mit dem Wirkstoff Levomethadon wurden rund 31.000 Packungen als Fertigarzneimittel abgerechnet, mit Methadon waren es rund 28.600 Packungen, mit Buprenorphin/Naloxon rund 11.500. An Fertigarzneimitteln mit retardiertem Morphinsulfat (Substitol®) wurden rund 13.100 Packungen abgerechnet. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass bis Mitte des Jahres 2022 ein Lieferengpass für Substitol® bestand, der zu einer deutlich verminderten Anzahl an Abrechnungen geführt haben dürfte [5,6]. Um die Versorgung einzelner Patient*innen sicherzustellen, bestand in dieser Zeit die Möglichkeit, das Fertigarzneimittel Compensan® mit dem Wirkstoff Morphinhydrochlorid aus Österreich zu importieren. Die Abrechnung erfolgte ab Mai 2022 über spezifische Sonderkennzeichen. Von Mai 2022 bis Dezember 2022 wurden auf diesem Weg rund 394.000 Retardtabletten abgerechnet.   


[1] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Bericht zum Substitutionsregister – Januar 2023. www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Substitutionsregister/_node.html (letzter Zugriff 01.03.2023)
[2] Bundesapothekerkammer. Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung – Herstellung und Abgabe der Betäubungsmittel zur Opioidsubstitution. Stand: 10.05.2022. www.abda.de/fuer-apotheker/qualitaetssicherung/leitlinien/leitlinien-und-arbeitshilfen/ (letzter Zugriff 01.03.2023)
[3] GKV-Spitzenverband, Deutscher Apothekerverband. Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (§§ 4 und 5 der AMPreisV). www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/arzneimittel/rahmenvertraege/rahmenvertraege.jsp (letzter Zugriff 01.03.2023)
[4] Bayer, T., Queckenberg, H. Opioid-Substitution in der Apotheken-Praxis. www.my-cme.de/wp-content/uploads/my-cme_APO_opioid-substitution.pdf (letzter Zugriff 09.03.2023)
[5] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Lieferengpässe – Morphinsulfat: Substitol zur Substitutionstherapie bei Opioidabhängigkeit. Stand: 05.10.2022. www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/Lieferengpaesse/kurzmitteilung_morphinsulfat_substitol.html (letzter Zugriff 01.03.2023)
[6] Deutsche Apotheker-Zeitung Online. BfArM-Beirat zur Versorgungslage mit Arzneimitteln – Aktuell relevante Liefer- und Versorgungsengpässe. 15.06.2022. www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/06/15/aktuell-relevante-liefer-und-versorgungsengpaesse (letzter Zugriff 01.03.2023)