Zwei von drei GKV-Patienten mit Polypharmazie erhalten ihre Arzneimittel von mindestens zwei verschiedenen Facharztgruppen verordnet
01.02.2011 - Eschborn Schüssel K
Foto: ABDA

Mehr als zwei Drittel der GKV-Patienten mit Polypharmazie, hier definiert als die Anwendung von mindestens fünf verschiedenen Wirkstoffen (ATC-Codes) in einem Monat, erhielten ihre Verordnungen von mindestens zwei verschiedenen Facharztgruppen rezeptiert.

Wie bereits vom DAPI untersucht, erhielten in 2009 über ein Viertel der gesetzlich krankenversicherten Patienten mindestens fünf verschiedene Wirkstoffe (ATC-Codes) [1].

Die Anwendung von mehreren Arzneimitteln gleichzeitig wird häufig als Polymedikation, Polypharmazie oder Multimedikation bezeichnet. Von Multimorbidität und in Konsequenz Polymedikation sind hauptsächlich ältere Menschen betroffen. Hauptursache der zeitgleichen Verordnung mehrerer Arzneimittel sind die zugrundeliegenden Erkrankungen.

Je mehr Arzneimittel jedoch gleichzeitig eingenommen werden, desto größer ist das Risiko für arzneimittelbezogene Probleme, wie beispielsweise Interaktionen zwischen den Arzneimitteln und die Gefahr einer schlechter werdenden Einnahmetreue (Patienten-Compliance [2]).

Da gerade multimorbide Patienten häufig bei mehreren Ärzten in Behandlung sind, erhöht sich hierdurch das Risiko für die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) weiter.

In diesem Zusammenhang untersuchte das DAPI anhand von GKV-Verordnungsdaten aus dem 1. Halbjahr 2009, wie viele Patienten, die Arzneimittel mit mindestens fünf verschiedenen Wirkstoffen (ATC-Codes) im Zeitraum von 30 Tagen verordnet bekommen haben, diese Präparate von verschiedenen Facharztgruppen [*] erhielten.

Dabei spielte es keine Rolle, ob die Einnahme der Arzneimittel zeitgleich oder zeitversetzt erfolgte. Es wurden alle ATC-Codes gemäß WHO-Klassifizierung in die Auswertung einbezogen [3].

Der überwiegende Anteil (etwa 70 %) der Patienten mit Polymedikation war bei mindestens zwei verschiedenen Facharztgruppen in medikamentöser Behandlung.

Mit zunehmender Komplexität der Therapie, d.h. steigender Anzahl der verschiedenen ATC-Codes, steigt auch die Zahl der an der Behandlung beteiligten Facharztgruppen: während beispielsweise im Juni 2009 bei Patienten, die genau 5 verschiedene ATC-Codes erhielten, 63 % der Patienten von mehr als einer Facharztgruppe behandelt wurden, waren es 86 % bei Patienten, die genau 10 verschiedene ATC-Codes erhielten.

Diese Untersuchung zeigt, dass – wie zu erwarten – der überwiegende Anteil an Patienten mit Polymedikation bei mehr als eine Facharztgruppe in Behandlung ist.

Neben den verordneten Arzneimitteln können durch den Patienten zusätzlich weitere Medikamente in der Selbstmedikation erworben werden, die ebenfalls nicht immer mit der sonstigen Arzneimitteleinnahme abgestimmt sind.

Da es bei älteren Patienten unerlässlich ist, die Medikation regelmäßig zu überprüfen, bietet es sich in der Apotheke an, die gesamte Medikation inklusive der Selbstmedikation insbesondere bei  älteren Patienten mit chronischen Krankheiten regelmäßig erfassen und auf mögliche Risiken hin überprüfen zu lassen.


[*] Unter dem Oberbegriff Facharztgruppe werden in den DAPI-Daten mehrere Ärzte gleicher oder ähnlicher Fachrichtungen zusammengefasst: So werden beispielsweise Internisten, Kardiologen, Endokrinologen, Pneumologen etc. in der DAPI-Facharztgruppe 'Internisten' erfasst. Demnach können sich unter einer Facharztgruppe zahlenmäßig verschiedene einzelne Ärzte verbergen.
[1] DAPI, Zahl des Monats Juni 2010, http://www.dapi.de/Newsdetails.69+M5d6b7e5da13.0.html (am 03.02.2011).
[2] Ingersoll und Cohen, The impact of medication regimen factors on adherence to chronic treatment: a review of literature, J. Behav. Med., 2008, 31: 213-224.
[3] WHO Collaborating Centre for Drug Statistics and Methodoloy, http://www.whocc.no/atc_ddd_index/ (am 03.02.2011).