Benzodiazepine und Z-Substanzen sollen aufgrund ihres hohen Sucht- und Missbrauchspotenzials nur bei klarer Indikation, in der kleinsten möglichen Dosis und über den kürzest möglichen Zeitraum verordnet werden [1]. Deshalb besteht gemäß Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Einschränkung der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Hypnotika und Anxiolytika/Sedativa (Tranquillanzien), ausgenommen für eine Kurzzeittherapie bis zu vier Wochen oder für eine länger als vier Wochen dauernde Behandlung in medizinisch begründeten Ausnahmefällen [2]. In solchen Fällen, wie z. B. bei einer low-dose-Abhängigkeit, sollte die Möglichkeit der Verordnung über einen langen Zeitraum mit schrittweiser Dosisreduktion gegeben sein und diese Ausnahme ist somit gut begründbar, wie in der AM-RL gefordert [3]. Allerdings werden Verordnungen von Benzodiazepinen und Z-Substanzen für GKV-Versicherte häufig und vermehrt auf Privatrezepten ausgestellt (im Zeitraum 2014 bis 2020 bundesweit zu über 38 %), wodurch sie sich zwar der von der AM-RL intendierten Steuerung entziehen, aber auch der gesundheitspolitischen Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen medizinischen Bedarf [4, 5].
Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e. V. (DAPI) hat die Verordnungsraten, gemessen in Packungen pro 1.000 GKV-Versicherte pro Jahr, von Benzodiazepinen und Z-Substanzen bei Verordnung auf GKV-Rezepten im Jahr 2023 untersucht. Ausgewertet wurden perorale Fertigarzneimittel mit Benzodiazepinen als Anxiolytika, als Hypnotika/Sedativa und mit Z-Substanzen (Eszopiclon, Zolpidem und Zopiclon).
Die Verordnungsrate für diese Medikamentengruppen betrug 90 Packungen pro 1.000 GKV-Versicherte (6,6 Mio. Packungen). Für die Benzodiazepine als Anxiolytika betrug die Verordnungsrate 46 (3,4 Mio. Packungen), für die Z-Substanzen 40 (3,0 Mio. Packungen) und für die Benzodiazepine als Hypnotika/Sedativa 3,5 (264 Tsd. Packungen). Bei der Bewertung dieser Verordnungsraten muss berücksichtigt werden, dass Verordnungen, die für GKV-Versicherte auf Privatrezepten erfolgten, in der DAPI-Datenbank nicht verfügbar sind.
[1] BÄK (Hrsg.), Bonnet U, Bschor T, Scherbaum N, Schilling C, von Brevern M, Wodarz N. Leitfaden Schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit von Medikamenten. 2022. www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Public_Health/Leitfaden-Medikamentenabhaengigkeit_final-Internetfassung.pdf (letzter Zugriff: 09.04.2024).
[2] Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA). Anlage III: Übersicht über Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse in der Arzneimittelversorgung durch die Arzneimittel-Richtlinie und aufgrund anderer Vorschriften (§ 34 Absatz 1 Satz 6 und Absatz 3 SGB V), Hinweise zur wirtschaftlichen Verordnungsweise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sowie Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse von sonstigen Produkten. 2023. www.g-ba.de/downloads/83-691-855/AM-RL-III-Verordnungeinschraenkungen_2023-11-11.pdf (letzter Zugriff: 15.04.2024).
[3] Schulz M. Verordnung von Hypnotika und Tranquillanzien für GKV-Versicherte auf Privatrezept: Rahmenbedingungen kontra Versorgungsrealität? Dtsch Med Wochenschr. 2014; 139 (22): 1151-1152.
[4] Hoffmann F, Schmiemann G, Windt R. Privat statt Kasse? Einstellungen von Hausärzten und Apothekern zur Verordnung von Hypnotika. Dtsch Med Wochenschr 2014; 139 (22): 1153–1158.
[5] Grimmsmann T, Himmel W. Privatverordnungen von Benzodiazepinen und Z-Substanzen in Ost- und Westdeutschland – eine Sekundärdatenanalyse. Gesundheitswesen. 2023; 85 (12): 1213–1219.