Im Jahr 2023 gab es 350.000 Abgaben von Cannabinoid-haltigen Zubereitungen bzw. Cannabisblüten in öffentlichen Apotheken zu Lasten der GKV
01.06.2024 Kieble M
Foto: ShutterstockProfessional/Shutterstock.com

Im März 2017 trat das "Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften" in Kraft. Ärztinnen und Ärzte dürfen seither, nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse, Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen und bei fehlenden Therapiealternativen Cannabis verordnen. Zunächst konnten Apotheker*innen ihre Patienten ausschließlich mit importierten Cannabisblüten versorgen [1]. Seit Juli 2021 kann auch in Deutschland angebautes und im Auftrag der Cannabisagentur des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vertriebenes medizinisches Cannabis abgegeben werden [2].
Mit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes am 1. April 2024 ist die Verordnung von Medizinalcannabis nicht mehr im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) geregelt, sondern im neuen „Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken“. Für die Verordnung von Cannabis ist somit kein Betäubungsmittelrezept mehr notwendig. Nur Nabilon (Canemes®) ist auch zukünftig auf Betäubungsmittelrezept zu verordnen. Bei dem Wirkstoff handelt es sich um ein synthetisches Cannabinoid, das weiterhin in der Anlage III des BtMG aufgeführt ist [3].
Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e. V. (DAPI) hat die Häufigkeit der Abgabe von Cannabinoid-haltigen Fertigarzneimitteln (in Packungen) sowie von Cannabinoid-haltigen Zubereitungen und Cannabis-Blüten (in Rezeptzeilen) in öffentlichen Apotheken zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung pro Jahr von 2020 bis 2023 untersucht.
Cannabinoid-haltige Fertigarzneimittel umfassten hierbei das Sonderkennzeichen 06460671 (Cannabinoid-haltige Fertigarzneimittel ohne PZN) sowie die in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimittel Canemes®, Epidyolex® und Sativex®. 
Cannabinoid-haltige Zubereitungen und Cannabis-Blüten beinhalteten folgende Sonderkennzeichen:

  • 06460665 und 06460694: Cannabis-Blüten in Zubereitungen und unverarbeitete Cannabis-Blüten
  • 06460748 und 06460754: Cannabinoid-haltige Stoffe oder Fertigarzneimittel in Zubereitungen und Cannabinoid-haltige Stoffe in unverändertem Zustand
  • 06461423 und 06461446: Medizinalcannabis aus deutschem Anbau in Zubereitungen und in unverändertem Zustand

Nicht eingeschlossen wurden Cannabinoid-haltige Zubereitungen (z. B. Cannabidiol-haltige), die über das Sonderkennzeichen für allgemeine Rezepturen 09999011 abgerechnet wurden.

In der Gruppe der Cannabinoid-haltigen Fertigarzneimittel stellte Sativex® das mit Abstand am häufigsten abgegebene dar. Es ist zugelassen zur Symptomverbesserung bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose, die nicht angemessen auf eine andere anti-spastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben und die während eines Anfangstherapieversuchs eine klinisch erhebliche Besserung von mit der Spastik verbundenen Symptomen zeigten [4]. Im Zeitverlauf waren die Abgaben von Sativex® nahezu konstant (66.400 Packungen in 2020, 65.900 Packungen in 2023), siehe Grafik 1

Epidyolex® ist ein Cannabidiol-haltiges Orphan Drug, welches als Zusatztherapie bei Krampfanfällen angewendet wird und seit September 2019 auf dem Markt ist [5]. Die Absätze stiegen seit der Markteinführung kontinuierlich an – von 11.900 Packungen in 2020 auf 26.900 in 2023. 
Der Absatz des bei Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen angewendeten Canemes® war vergleichsweise gering und im Zeitverlauf leicht rückläufig (von 1.200 Packungen in 2020 auf 900 in 2023). 
Bei Cannabinoid-haltigen Fertigarzneimitteln ohne PZN dürfte es sich um nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz importierte Fertigarzneimittel gehandelt haben, deren Abgaben stark rückläufig waren (900 Packungen in 2020, 50 in 2023).

Die Absätze der Cannabinoid-haltigen Zubereitungen und Cannabis-Blüten haben sich im Zeitverlauf kaum verändert. Im Jahr 2023 gab es insgesamt ca. 350.000 Abrechnungen von diesen Arzneimitteln, wobei 138.600 Rezeptzeilen auf importierte Cannabisblüten und 207.400 Rezeptzeilen auf Cannabinoid-haltiger Zubereitungen und Stoffe entfielen (Grafik 2). Bei den Cannabinoid-haltigen Zubereitungen (Sonderkennzeichen 06460748) handelte es sich größtenteils um Dronabinol-haltige Zubereitungen. Bei den unverarbeiteten Cannabinoid-haltigen Stoffen wurden hauptsächlich Cannabisextrakte abgerechnet, wobei am häufigsten der des Anbieters Tilray Deutschland GmbH verwendet wurde. Medizinalcannabis aus deutschem Anbau wurde in 2023 mit 3.600 abgerechneten Rezeptzeilen im Vergleich zum Vorjahr mit 4600 etwas seltener abgerechnet, nachdem die Abrechnungen im Vergleich zum Jahr der Markteinführung 2021 zunächst angestiegen waren.


[1]    DAZ.online. 5 Jahre Medizinisches Cannabis auf Rezept – die wichtigsten Fragen und Antworten. 09.03.2022. www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/03/09/5-jahre-medizinisches-cannabis-auf-rezept-die-wichtigsten-fragen-und-antworten (letzter Zugriff: 15.05.2024)
[2]    Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Medizinisches Cannabis: BfArM passt Verkaufspreis an ärztliche Verschreibungen an. 06.06.2023 www.bfarm.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/pm03-2023.html (letzter Zugriff: 15.05.2024)
[3]    Kassenärztliche Bundesvereinigung. Cannabisverordnungen nicht mehr auf BtM-Rezept. 28.03.2024. www.kbv.de/html/1150_68597.php (letzter Zugriff: 15.05.2024)
[4]    Dossier zur Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V  THC/CBD (Sativex® Spray zur Anwendung in der Mundhöhle) Modul 2  Allgemeine Angaben zum Arzneimittel, zugelassene Anwendungsgebiete  Stand: 24.04.2018  https://www.g-ba.de/downloads/92-975-2401/2018-04-24_Modul2_THC_CBD.pdf (letzter Zugriff: 15.05.2024)
[5]    Dossier zur Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V Cannabidiol (Epidyolex® ) Modul 2 Allgemeine Angaben zum Arzneimittel, zugelassene Anwendungsgebiete Stand: 30.11.2023 www.g-ba.de/downloads/92-975-7197/2023_11_30_Modul2_Epidyolex.pdf (letzter Zugriff: 16.05.2024)