Im Jahr 2021 wurden 56 % der zulasten der GKV abgegebenen Clindamycin-Tagesdosen von Zahnärzt*innen verordnet.
01.03.2023 - Berlin Gradl G Enners S
Foto: ESB Professional

Das Antibiotikum Clindamycin ist gemäß der Leitlinie für die Behandlung odontogener Infektionen nicht Wirkstoff erster Wahl [1]. Es kann bei Patient*innen mit einer Penicillinallergie eingesetzt werden. Liegt diese nicht vor, sollte bevorzugt das effektivste und verträglichste Antibiotikum angewendet werden, wie z. B. Penicillin V/G, Amoxicillin oder Ampicillin. Dennoch wurde Clindamycin in der ambulanten Zahnheilkunde in den letzten Jahren nach Amoxicillin am häufigsten verordnet [2]. Diese hohe Verordnungsrate ist kritisch zu betrachten, da Clindamycin vergleichsweise häufig mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAWs) verbunden ist und entsprechend seit vielen Jahren in der von der Arzneimittelkommission der Zahnärzte geführten Statistik der bundesweit gemeldeten UAWs einen der vorderen Plätze einnimmt [3]. 
Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut e. V. (DAPI) hat die Entwicklung ambulanter zahnärztlicher Verordnungen systemischer Antibiotika zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Zeitraum 2017 bis 2021 untersucht und die Ergebnisse publiziert[2]. Insbesondere wurde auf die Änderung der abgegebenen definierten Tagesdosen (Defined Daily Doses, DDD) pro 1.000 GKV-Versicherte pro Tag (DDD per 1.000 Inhabitants per Day, DID) von Clindamycin eingegangen. Die zahnärztlichen Verordnungen wurden mit allen Verordnungen systemischer Antibiotika in der ambulanten Versorgung zulasten der GKV verglichen (siehe Grafik). Die Verordnung von Clindamycin durch Zahnärzt*innen ging zurück von 0,37 DID im Jahr 2017 auf 0,29 DID im Jahr 2021. 
Der Anteil der zahnärztlichen Clindamycin-Verordnungen an den Verordnungen aller systemischer Antibiotika der Zahnärzt*innen ging zwar im Zeitraum ebenfalls zurück (von 31 % auf 24 %). Diese Anteile sind trotz des erfreulichen Negativ-Trends vor dem Hintergrund der Leitlinien-Empfehlung und der Prävalenzen von Penicillin-Allergien in Europa immer noch als Überverordnung zu bewerten. 
Die Clindamycin-Verordnungen der ambulanten Versorgung zulasten der GKV insgesamt gingen von 0,63 DID (5,0 % Anteil) im Jahr 2017 auf 0,53 DID (6,5 % Anteil) im Jahr 2021 zurück. Im Jahr 2021 wurden demzufolge 56 % der Clindamycin-Verordnungen in der ambulanten Versorgung zulasten der GKV von Zahnärzt*innen ausgestellt. 


[1]    Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG), Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK). S3-Leitlinie Odontogene Infektionen, AWMF-Reg.-Nr: 007-006. register.awmf.org/de/leitlinien/detail/007-006 (letzter Zugriff 14.12.2022)
[2]    Gradl G, Kieble M, Nagaba J, Schulz M. Assessment of the Prescriptions of Systemic Antibiotics in Primary Dental Care in Germany from 2017 to 2021: A Longitudinal Drug Utilization Study. Antibiotics. 2022;11(12):1723.
[3]    Schindler C, Nagaba J, Schumacher C. Die Arzneimittelkommission Zahnärzte informiert: UAW-Meldungen zu Clindamycin wieder zunehmend. www.zm-online.de/archiv/2019/07/zahnmedizin/uaw-meldungen-zu-clindamycin-wieder-zunehmend/ (letzter Zugriff 14.12.2022)