60 % Umsatzsteigerungen in der Gruppe der Tyrosinkinaseinhibitoren seit 2005.
Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) sind neuartige Wirkstoffe, die bisher vor allem bei Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen. Im Rahmen der Krebserkrankung kommt es oft zur Veränderung von bestimmten Enzymen, sogenannter Tyrosinkinasen, was zu einer ständigen Aktivierung dieser Enzyme und zum vermehrten Zellwachstum führt. Imatinib, der erste in Deutschland zugelassene TKI, hemmt beispielsweise eine entartete Tyrosinkinase und reduziert die Vermehrung der Krebszellen. Im Laufe der Therapie mit Imatinib treten oft Resistenzen durch Mutationen auf. Bei den beiden bösartigen Krebserkrankungen chronisch-myeloische Leukämie und gastrointestinale Stromatumore stehen für diese Fälle die neuen TKI Sunitinib, Dasatinib und Nilotinib zur Verfügung. Diese Substanzen sind wünschenswert, um auch Patienten helfen zu können, bei denen eine zuvor durchgeführte Therapie mit Imatinib fehlgeschlagen hat. Des Weiteren sind seit 2005 Sorafenib, Erlotinib und Lapatinib auf dem deutschen Markt. Mit ihnen steht erstmals eine relativ verträgliche und effektive Therapie bei Krebserkrankungen zur Verfügung, die vorher vor allem durch schwere chronische Verläufe und einen relativ schnellen Tod charakterisiert waren. TKI gelten als Medikamente der Zukunft, da sie wesentlich spezifischer wirken und meistens kein so starkes Nebenwirkungsspektrum wie herkömmliche Zytostatika haben sollen. Die erhoffte spezifische Wirkung ist jedoch kritisch zu sehen, da die Komplexität der Signalübertragungen eine hoch selektive Wirkung nicht zulässt. Wird eine bestimmte Signalübertragung gehemmt, so verfügt die Tumorzelle über zahlreiche weitere Proliferationsmechanismen, oder sie entwickelt Möglichkeiten, dem zielgerichteten Angriff auszuweichen. Dies erklärt auch, warum mithilfe der gezielten Therapie keine Heilung möglich ist und ihre Wirksamkeit häufig nur von begrenzter Dauer ist. Ferner wird klar, dass zielgerichtete Therapien auch mit teilweise gravierenden Nebenwirkungen einhergehen und nicht als untoxische Varianten klassischer Zytostatika betrachtet werden dürfen. Als Beispiel für die unspezifische und toxische Wirkung eines Tyrosinkinase-Inhibitors kann die Kardiotoxizität von Imatinib angeführt werden. Imatinib hemmt die krankheitsbedingte verstärkte Synthese der Tyrosinkinase BCR-ABL. Diese Tyrosinkinase fördert die Proliferation von Tumorzellen, ist aber auch für das Überleben von gesunden Kardiomyozyten erforderlich. Des Weiteren sind bei der Anwendung von Dasatinib zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu berücksichtigen, die zu einer Zunahme oder Abschwächung der Wirkung von Dasatinib führen können. Durch die Einführung der TKI ist es in der Gruppe der Zytostatika in den letzten Jahren zu einem massiven Umsatzzuwachs gekommen. Das DAPI hat die monatlichen Umsätze der TKI von November 2001 bis Mai 2008 untersucht und herausgefunden, dass es im Zeitraum von 2005 bis 2008 im Vergleich zum Zeitraum 2001 bis 2004, in dem es nur Glivec® (mit dem Wirkstoff Imatinib) als TKI auf dem deutschen Markt gab, zu einer Umsatzsteigerung in der Gruppe der TKI um 60 % kam (siehe Grafik). Weiterhin wurden die Jahrestherapiekosten (d. h. die Kosten eines Medikaments für einen Patienten, dosiert entsprechend der Fachinformation bezogen auf ein Jahr) der einzelnen Wirkstoffe verglichen. Es zeigte sich, dass diese Kosten für Erlotinib, Lapatinib und Nilotinib ähnlich hoch wie die Jahrestherapiekosten von Imatinib sind. Wesentlich höhere Jahrestherapiekosten im Vergleich zu Imatinib entstehen bei der Anwendung von Sunitinib, Sorafenib und Dasatinib (siehe Tabelle). Die Umsatzsteigerungen können also mit der Einführung und verstärkten Anwendung der neuen Substanzen seit 2005 und mit den gesteigerten Jahrestherapiekosten für einige dieser Wirkstoffe erklärt werden. Weiterhin sollte die Erhöhung der Mehrwertsteuer im Jahre 2007 um 3 Prozentpunkte als Kostentreiber berücksichtigt werden. Es ist zu erwarten, dass die Kosten für TKI auch zukünftig ansteigen, da immer mehr Menschen mit diesen Arzneimitteln behandelt werden.