Anonymisierte Rezeptdaten: Apotheker betätigen sich selbst als Versorgungsforscher. Das zeigte der Vortrag von Dr. Sittah Czeche (DAPI) auf einem Symposium der Bundesapothekerkammer.
Apotheker engagieren sich Von Bettina Sauer, Berlin / Apotheker sind wichtig für die Versorgungsforschung und wollen sich noch stärker auf diesem Gebiet engagieren. Das betonten die Referenten eines Symposiums der Bundesapothekerkammer (BAK) vergangene Woche in Berlin. Wie schnell profitieren gesetzlich Versicherte in Deutschland von neu zugelassenen Arzneimitteln? Wie groß ist der Nutzen einer diagnostischen Methode? Wie stark beeinflussen Patientenschulungen den Krankheitsverlauf? Mit solchen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich die Versorgungsforschung. Dabei handelt es sich nach einer Definition der Bundesärztekammer um die "wissenschaftliche Untersuchung der Versorgung von Einzelnen und der Bevölkerung mit gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen unter Alltagsbedingungen". Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu verbessern. "Apotheker können innovative Versorgungskonzepte und -strukturen entwickeln, unter Alltagsbedingungen anwenden und evaluieren", sagte BAK-Vizepräsident Lutz Engelen bei der Eröffnung der Veranstaltung. "Typische Fragestellungen für die Apotheker sind die Über-, Unter und Fehlversorgung sowie die richtige Anwendung von Arzneimitteln oder medizinischen Hilfsmitteln." Auch gesundheitsökonomische Auswirkungen der Interventionen müssten untersucht werden. Die Referenten stellten einzelne Aspekte der Versorgungsforschung vor und arbeiteten dabei jeweils die Rolle des Apothekers heraus. Drei der fünf Vorträge beschäftigten sich mit Aspekten der Arzneimittelsicherheit (siehe PZ 6/2009, Seite 34). Zur Versorgungsforschung gehört auch die Entwicklung evidenzbasierter Leitlinien und deren flächendeckende Anwendung, berichtete Professor Dr. Günter Ollenschläger. Der Apotheker und Facharzt für innere Medizin leitet das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Diese 1995 gegründete gemeinsame Einrichtung von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung beschäftigt sich seit 2002 mit der Entwicklung nationaler Versorgungsleitlinien (NVL). "Dabei handelt es um systematische, evidenzbasierte Entscheidungshilfen für eine angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen", erläuterte Ollenschläger. NVL böten den Ärzten eine noch bessere Orientierung als die verwirrend vielen Leitlinien der deutschen medizinischen Fachgesellschaften. Denen lägen oft unterschiedliche Qualitätskriterien zugrunde. Teilweise widersprächen sie sich auch. Inzwischen gibt es NVL für die Volkskrankheiten Asthma, COPD, Koronare Herzkrankheit, Demenz, Depression, Diabetes, Herzinsuffizienz und Rückenschmerz. "Sie werden regelmäßig überarbeitet und in entsprechende Patientenleitlinien übersetzt", berichtete Ollenschläger. "Dabei bezieht das ÄZQ nicht nur Ärzte ein, sondern auch Patientenvertreter und Berufsgruppen, die ihren Nutzen in der Gesundheitsversorgung durch Studien belegen können." Das sei den Apothekern gelungen, unter anderem durch die Studie namens VITA. Diese zeigt, dass Patienten mit Asthma und COPD bei der Anwendung ihrer Arzneimittel deutlich weniger Fehler machen, wenn Apotheker ihnen die Inhalationstechnik erklären (PZ 51/2007, Seite 30). Seit 2008 beteiligen sich die Apotheker an der Entwicklung der NVL. Den Anfang machte die Überarbeitung der NVL Asthma, die das ÄZQ Ende 2008 vorlegte. Darin lässt sich nachlesen, wie sich die Therapie von Asthmatikern durch die Kooperation von Arzt und Apotheker optimal gestalten lässt. Unter anderem sollen entsprechend qualifizierte Apotheker regelmäßig die richtige Anwendung inhalativer Arzneimittel überprüfen. "Ich freue mich, dass nun Erfahrungen der pharmazeutischen Arzneimittelberatung in unseren Leitlinien berücksichtigt werden ", sagte Ollenschläger. Möglicherweise könnten Apotheker auch zur flächendeckenden Anwendung evidenzbasierter Leitlinien beitragen. Anonymisierte Rezeptdaten
Zudem betätigen sich Apotheker selbst als Versorgungsforscher. Das zeigte der Vortrag von Dr. Sittah Czeche vom Deutschen Arzneiprüfungsinstitut (DAPI). Dieser gemeinnützige Verein gehört zur ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und untersucht pharmakoökonomische und -epidemiologische Fragen der Arzneimittelversorgung. Zu den Nutzern der Auswertungen zählen die Landesapothekerkammern und -verbände, die ABDA, Bundesgesundheitsministerium und Gesundheitsbehörden, Universitäten und die pharmazeutische Industrie. "Bei seinen Untersuchungen stützt sich das DAPI auf einen Datenpool, der jährlich wächst und inzwischen rund fünf Milliarden Datensätze umfasst", sagte Czeche. Es handle sich um anonymisierte Verordnungen aus der Arzneimittelabrechnung der Gesetzlichen Krankenversicherung, die von fünf standeseigenen und zwei privaten Apothekenrechenzentren stammten und zahlreiche Studien ermöglichten.